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Vergebung lernen

von Natascha Erhardt, Co-Autorinnen: Klaudia Kindslehner und Andrea Schenkermayer

Seit geraumer Zeit beschäftige ich mich, auch aus persönlichen Gründen, mit dem Thema Vergebung.

Keine zwischenmenschliche Beziehung kann auf Dauer gedeihen, wenn die Beteiligten nicht bereit sind, sich gegenseitig ihre Schuld einzugestehen, sei es in der Ehe, im Verhältnis von Eltern und Kindern, in der jungen Liebe, in Freundschaften oder im Kollegenkreis am Arbeitsplatz. Nirgends geht es ohne Entschuldigung. Ohne das Ventil des Verzeihens baut sich Ärger als Druck auf und treibt uns dazu, unnachgiebig nach Gerechtigkeit zu verlangen.  Wer sich entschuldigt übernimmt Verantwortung für sein Verhalten. Zeichen guter Beziehungen ist immer die Bereitschaft, sich zu entschuldigen, zu verzeihen und sich zu versöhnen. Jede ernst gemeinte Entschuldigung ist eine Wohltat für ein belastetes Gewissen.

Eine kurze Worterklärung

Es gibt drei hebräische Worte, die mit vergeben übersetzt werden.

1. kaphar, bedecken, zudecken. Es wird auch mit ‚Sühnung’ übersetzt.

2. nasa, tragen, Schuld wegnehmen

3 . salach, vergeben. Dieses Wort wird ausschließlich benutzt, um die Vergebung zu bezeichnen, die Gott gibt, und zwar im Zusammenhang mit der Vergebung in Verbindung mit den Opfern, die die Menschen brachten, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun.

Im N.T. werden zwei griechische Ausdrücke verwendet: „aphesis“ = wegschicken, befreien, los lassen, vergeben und „aphiemi“ = gnädig sein, gern geben, vergeben. Beide Worte werden sowohl für die Vergebung, die Gott schenkt, verwendet, als auch für die in Bezug auf Menschen untereinander.

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Wenn wir verletzt wurden

Was machen wir mit der Wut und dem Zorn in uns? Ist es legitim, diesen Gefühlen auch Ausdruck zu verleihen?

Ich sage „Ja“, gegründet auf  Eph. 4,26: „ Zürnt ihr, so sündigt nicht.“

Ich darf zornig sein auf das, was Schuld mit mir gemacht hat. Es wäre ein „Betrug an uns selbst“, wenn wir Schuld, die uns angetan wurde, oder die wir auch selbst verursacht haben, zu bagatellisieren oder herunterzuspielen. Schuld, und was sie mit uns und anderen macht, darf benannt werden, das ist nötig – und auch dürfen wir sie zu Jesus bringen.

Wenn an uns jemand schuldig geworden ist, und dieser jemand lebt noch, wäre es gut, dies auch auszusprechen: „Das hat …. mit mir gemacht!“ Es kann sein, dass es der betreffenden Person gar nicht bewusst ist, dass sie dich verletzt hat, oder sie verdrängt es. Da ist es gut, wenn man das Gespräch sucht und seinen Gefühlen Ausdruck verleiht.

Es bedeutet nicht, gleich wieder zu vertrauen. Vertrauen darf mit der Zeit wiedergewonnen werden. Gleichzeitig braucht es die Bereitschaft zu sagen: „Aber ich vergebe dir“! Denn sonst bleiben wir selbst die Gefangenen unserer Unvergebenheit.

Wir tragen die Schuld noch nach und stellen uns letztlich als Richter zwischen Gott und dem Menschen, der uns gegenüber schuldig geworden ist. Diese Bürde kann glaube ich, keiner wirklich tragen.

Wenn wir verletzt haben

Als Christen sollten wir darauf bedacht sein, niemanden absichtlich zu verletzen. Aber wir sind eben alle nur Menschen mit komplexen Emotionen und so passieren im Zusammenleben einfach Situationen, die herausfordernd sind. Aus den verschiedensten Gründen entstehen dann Verletzungen. Hier hilft Achtsamkeit in Worten und Taten und eine abendliche Rückschau auf den Tag mit Gewissenshygiene: „Habe ich mir heute etwas zu Schulden kommen lassen?“.

Verdrängung oder fehlende Empathie sind die häufigsten Gründe dafür, wenn eine Entschuldigung ausbleibt.

Stellen wir uns unser Gewissen als 10 Liter Tank auf unserem Rücken vor. Wann immer wir an jemandem schuldig geworden sind, ist es, als würden wir einen Liter in den Tank füllen. Irgendwann ist der Tank randvoll und schwer. Und diese Last besteht aus Schuldgefühl und Scham.

Die einzige Möglichkeit diesen Tank zu leeren ist, sich bei Gott und der betreffenden Person zu entschuldigen. Erst dann können wir Gott wieder ins Gesicht blicken, uns selbst im Spiegel betrachten und dem Anderen in die Augen sehen.

4 Arten wie wir um Verzeihung bitten können

  • Ein schlichtes „Es tut mir leid“ kann Wunder wirken und die Bereitschaft zum Frieden stärken – es muss aber echt sein. Das Verständnis für den Anderen soll beinhaltet sein und bitte keine „Aber“-Botschaften am Ende. Ein Brief kann gute Dienste leisten.
  • Es war mein Fehler“ – die Verantwortung dafür zu übernehmen ist ein wichtiger Schritt zum Verzeihen. Ein Vater sagte einmal zu seiner Tochter: „Ein kluger Mensch ist stets bereit die Verantwortung für seine Fehler zu übernehmen! Wir alle machen Fehler, aber die einzigen, die wirklich Schaden anrichten, sind jene, die wir nicht eingestehen wollen.“
  • Es soll nicht wieder vorkommen“ – Umkehr ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg von der Entschuldigung zur Heilung. Es ist mehr als nur der Ausdruck des Bedauerns und die Zusage, den Schaden wiedergutzumachen. Es ist das Versprechen: „Ich will es nie wieder tun!“
  • Willst du mir vergeben?“ Es gibt Menschen, die brauchen mehr als eine Entschuldigung oder Umkehr. Sie brauchen es, um Vergebung gebeten zu werden. Wer um Vergebung gebeten werden will, sehnt sich danach, die Beziehung von Grund auf wiederherzustellen.

 

Lies mehr darüber im Buch Die 5 Sprachen des Verzeihens von Gary Chapman.

Vergeben können bringt Freiheit

Auch wir tun Dinge, die für Gott ein „No Go“ sind, nach wie vor.

Aber in der Erkenntnis seiner Liebe dürfen wir weitergehen und in dem Wissen, dass ER uns hilft, wenn es uns unmöglich erscheint, aufrichtig und von Herzen zu vergeben.

Wenn wir die Entscheidung treffen, zu vergeben, kann es trotzdem sein, dass wieder negative Gefühle in uns hochkommen. Das ging auch Corrie ten Boom so.

Nachdem sie dem KZ-Aufseher vergeben hatte, kämpfte sie nach wie vor mit negativen Gefühlen.

Sie ging zu einem Pastor, der zeigte aus dem Fenster uns sagte: „Da oben hängt eine Glocke, die durch das Ziehen des Seiles geläutet wird. Nachdem der Küster das Seil losgelassen hat, schwingt die Glocke weiter und kommt dann zum Stillstand. Bei Vergebung ist es ähnlich.

Wenn wir vergeben, ist es, als ob wir das Seil loslassen und damit die Unvergebenheit und die Schuld des anderen, doch der Schmerz oder die Wut verflüchtigt sich erst mit der Zeit.

Wenn man seinen Groll für lange Zeit herumgeschleppt hat, ist klar, dass alte Gedanken wieder zurückkehren.

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Vergebt, damit auch euch vergeben wird

Jesus hat es klar formuliert in Markus 11,25-26: „Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt, damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Übertretungen.“

Indem wir vergeben, verzichten wir auf Rache und überlassen den Menschen Gott – das ist der Schlüssel für ein Leben frei von Gebundenheiten.

Ich habe das vor Kurzem selbst erlebt.

Es ging so weit, dass ich zu Jesus gesagt habe: „Ich kann das nicht, ich kann nicht vergeben. Aber du in mir kannst es!“ Als Jesus mir gezeigt hat, dass ER durch genau denselben Schmerz gegangen ist, den auch ich erlebt habe, konnte ich vergeben.

ER hat all unsere Schmerzen gespürt, er WURDE zum Schmerz. Und wenn man es ganz genau nimmt, und biblisch gesehen, haben wir ALLE den Tod verdient. Es ist ein reines, unverdientes Geschenk der Gnade und Liebe Gottes, dass uns am Kreuz JEDE Schuld vergeben wurde.

Ich ermutige dich heute, DAMIT DU FREI wirst, zu vergeben.
Wenn es dir alleine nicht möglich ist, sag es Jesus. Vertraue dich jemanden an, der mit dir „durchgeht“.
Es lohnt sich!