TEAM.F Osterreich – Neues Leben für Familien

Die Hirten auf dem Feld von Bethlehem mochten Samy, das schwarze Schaf, nicht gern. Samy war eigentlich etwas Besonderes. Aber schwarze Wolle brachte keinen guten Preis, weil man sie nicht färben konnte. Die weißen Schafe hingegen wurden von den Hirten gehegt und gepflegt. Deren Wolle konnte man nach Belieben einfärben. Rot, gelb, blau, wie es eben Mode war. Das kam gut an bei den Leuten und brachte den Hirten Geld ein. Schwarze Wolle blieb schwarz, da war nicht viel zu machen.

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Und so musste sich Samy einiges gefallen lassen. Nicht nur die Hirten ließen ihn meistens links liegen oder reagierten ihre schlechte Laune an ihm ab. Auch die weißen Schafe waren nicht besonders nett zu ihm. Sie blökten schlecht über Samy, traten ihm unauffällig gegen seine dünnen Beine, schubsten ihn vom Futtertrog weg oder von den Stellen mit dem fetten Gras und erzählten ihren Jungen, dass es die Dummheit wäre, die ein Schaf schwarz werden lässt. So blieb Samy ein Einzelgänger und dazu noch ziemlich dünn.

An jenem Abend, als ihnen der Engel erschien, schliefen bereits fast alle. Was dann geschah, ist den meisten Menschen bekannt. Was nicht allen bekannt ist: Samy war auch dabei, als die Hirten das Kind im Stall und seine Eltern besuchten und Geschenke brachten – auch weiße, weiche Wolle. Samy war neugierig, hatte aber Angst, die Hirten und die anderen Schafe würden ihn nicht nach vorne lassen, so drückte er sich zwischen Josef, dem Ochsen und dem Esel vorbei in die Ecke des Stalls. Von dort konnte er alles genau beobachten.

Irgendwann wurde Maria das Getümmel der Schafe und Hirten zu bunt. Das Kind brauchte dringend Schlaf – und sie selbst vielleicht noch viel mehr nach all den Strapazen. Also bat Maria kurzerhand alle Gäste, Menschen wie Schafe, nach Hause zu gehen. Sie schloss die Tür, stillte das Baby, legte es in die Krippe, kuschelte sich an Josef, löschte die Laterne aus und schlief ein.

Als auch Ochs und Esel leise schnarchten, pirschte sich Samy vorsichtig bis an die Futterkrippe heran, in der das Christkind lag. Sachte stupste Samy das Baby mit seiner warmen, feuchten Nase an. Es schmiegte sich an Samys flauschigen Kopf. Die kleinen Hände griffen in das warme Fell. – Samy wagte kaum, sich zu bewegen. So hielt er das Kind mit seinem Atem und mit seiner warmen Wolle kuschelig warm bis zum Morgen.

Und weil der kleine Jesus sich auf Anhieb mit dem schwarzen Schaf so gut verstand, schlossen ihn auch Maria und Josef schnell ins Herz. Samy durfte bleiben. Er stand ab jetzt neben Ochs und Esel im Stall.

Von da an hatte Jesus ein Herz für schwarze Schafe.

Tilman Kugler

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