Auf den Spuren von Josef
Eine Adventgeschichte
(Verfasser unbekannt)
Draußen bei den Hirten war es ziemlich kalt, denn der Himmel war sternenklar. Ein oder zwei hielten nebeneinander gehockt Wache, versuchten es zumindest. Es war eine ziemlich große Herde, die sie da umherführten und ihnen tat alles weh vom vielen hinterher Rennen, Zusammenhalten und Antreiben. Wenn diese Nacht nur ruhig bliebe, nur eine Nacht einmal ohne Gebell, ohne irgendein wildes Tier, ohne die Sorge, dass am nächsten Morgen wieder einige fehlten, sich verirrt hatten. Was sollten sie dann morgen dem Besitzer sagen, wenn er wieder unvermutet vorbei käme.
Eine Nacht einmal in Ruhe schlafen, das wäre himmlisch, und so träumten sie von ihren Kindern daheim und von ihren Frauen. Gewiss, wirklich ruhig würde es dort auch nicht sein und so schauten sie einfach nur ins Feuer und freuten sich, dass ihnen wenigstens warm war.
Auch wenn sie ein wenig neidisch in die Runde der schlafenden Gefährten blickten, war ihnen bewusst, wie nötig jene diesen Frieden hatten. Morgen würden sie ja wieder, gut ausgeschlafen, gebraucht werden, denn die Tage sind hart. Einige von ihnen waren ja noch gar nicht lange dabei und unerfahren, Kinder fast noch, und hielten sie mit ihren Schürfwunden, umgeknickten Füßen und allen möglichen Wehwehchen manchmal mehr auf Trab als die Schafe.
Plötzlich horchte einer auf und schaute den anderen fragend an. Nein da war nichts schaute der andere wortlos zurück. Doch dann drehten sich beide fast gleichzeitig um und lauschten in die Finsternis.
Was sie ganz tief im Schatten wahrnahmen war ein alter Mann, der sich abmühte einen Esel vorwärts zu bewegen. Doch der blieb reglos, störrisch wie nur Esel sein können, einfach nur stehen, und stampfte wenn er sich überhaupt einmal bewegte kurz mit den Hufen.
Als der Mann versuchte ihn ein bisschen aus dem Gleichgewicht zu schubsen, um ihn dann zu ziehen, ein uralter Trick, den wohl auch dieses nicht mehr ganz junge Tier kannte, da schrie es unvermutet laut auf und ließ ein gellendes IAhhh los, dass die Hirten zusammenzuckten und einige der ruhenden kurz aufblickten.
Sie staunten beim Anblick der Sterne. Sie hatten viele Male die Sterne bewundert, aber heute verschlug es ihnen die Sprache. Keiner wagte ein Wort, um diesen eindrucksvollen Moment nicht zu stören und in gemeinsamer Stille zu erleben, denn was sie sahen klang wie eine wunderschöne Melodie von ganz weit her.
Still blieb es aber auch deshalb, weil der Mann blitzartig an den Esel herangetreten war, so unvermutet, dass nicht nur der Esel ein wenig erschrak und aufhörte zu schreien, sondern auch die beiden Hirten meinten, so alt mochte er doch nicht sein, wahrscheinlich war auch er nur sehr erschöpft gewesen. Nun schlang er seinen ganzen Körper um den Esel und streichelte ihm zärtlich den Nacken, wobei er ihm ganz leise ins Ohr flüsterte und ihm gut zuredete. Ganz still war es nun, nur das Knistern des Feuers war zu hören, die Hirten hielten den Atem an, als sie aus der Dunkelheit die Worte hörten:
„Sieh doch die hundert Lasten auf Deinem Rücken, 99 davon sind doch nur Deine eigenen Sorgen. Ich will Dir helfen sie abzulegen, und sie werden sich in der Dunkelheit in Nichts auflösen. Doch das eine, kleine, das wirst Du doch tragen können, es ist doch ganz klein und leicht, ein Geschenk. Das wirst Du verschenken, und das bedeutet doch dass Du dann ganz frei und unbeschwert sein wirst. Lass mich dir zeigen, wem Du es schenken sollst, komm nur noch ein bisschen weiter mit. Es ist ja gar nicht weit von hier.“
Und obwohl er den, der zu ihm sprach kaum sehen konnte und obwohl er ihn doch unmöglich verstehen konnte, begann der Esel tatsächlich wieder ein paar Schritte zu folgen, er muss ihm wohl geglaubt haben, obwohl es immer noch ziemlich zu drücken schien auf seinem Rücken, wie er so dahin stolperte.
Als die Hirten sahen, was er da trug, eine Frau, die sich kaum noch halten konnte, deren Haltung verriet, dass sie unter Schmerzen litt und zitterte, wollten sie hingehen und helfen.
Der eine griff sich einen der Holzscheite und steckte ihn in der Glut in Brand, der andere war zurückhaltender und überlegte, wer nun bei den anderen und der Herde Wache hielte. Doch es war schon längst zu spät. Das Licht der Fackel hatte ihrer beiden Augen so geblendet, dass es sie schmerzte und als sie versuchten wieder etwas in der Dunkelheit zu erkennen, sahen sie nichts mehr.
Dennoch fassten sie einen Entschluss, sie wollten die Familie suchen gehen und dazu die Herde zurücklassen und begannen die anderen zu wecken.
„Ihr spinnt doch“, klang es ihnen entgegen, „lasst uns doch in Ruhe. Morgen ist auch noch ein Tag. Lasst uns doch erst einmal ausruhen. Das habt ihr doch nur geträumt. Das ist doch unmöglich.
Sie können unmöglich dort entlang gegangen sein, das ist nicht der befestigte Weg nach Bethlehem. Sie können unmöglich unsere Pfade im Dunkeln gegangen sein“.
Mürrisch und etwas mulmig bereiteten sich die größeren auf den Wegmarsch vor. Nur die jüngeren freuten sich auf dieses Abenteuer. Sie packten alles ein, was sie an Nahrungsmitteln und Wäsche und frischem Wasser hatten, denn es hieß ja, eine Frau würde in den Wehen liegen. Von den Schafen kannten sie das, bei ihren Frauen hatten sie nie geholfen. Sie hatten auch lieber mit den anderen gefeiert, jetzt wünschten sie sich sie hätten sich einfach einmal darüber hinweggesetzt, wenn man sie zur Seite schob, wenn sie mal zumindest schauen wollten. Heute Nacht sollten sie dies wohl nachholen dürfen, doch sie wussten nicht einmal genau wo.
Sie folgten den anderen über die Wiesen Richtung Bethlehem, doch sie ließen alle Fackeln zurück. In der Dunkelheit würden sie jedes Anzeichen, jeden Hinweis auf die Gesuchten besser sehen und hören können. Diese Nacht war sternenklar, besonders hell und still, und es überkam sie eine große Freude, denn sie ahnten, dass etwas ganz Besonderes, etwas Außergewöhnliches auf sie wartete!